Ulla Hahn - Heller Wahnsinn
Heller Wahnsinn
Die Liebe ist kein Engelchen mit Flügeln,
kein dicker Säugling der mit Pfeilchen schiesst;
die Liebe ist ein Engel von vielen,
die Gottes Rache aus dem Himmel sties
als sie wie er sein wollte: schön und
grausam blind und allmächtig, nicht
von dieser Welt zeigt sie seither
in immer neuen Bildern das Gesicht
des Würgeengels der nach seiner Peitsche
die Herzen tanzen läßt bis er zuletzt
die Taumelnden Gefallenen zu fällen
den Fuss auf ihre armen Kehlen setzt,
und dort verharrt, sich auf dem Absatz
wendet sorgfältig, ohne Eile, hin und her.
Mitunter soll es glücken zu entkommen
der Freispruch heisst: ICH LIEBE DICH NICHT MEHR!!!
Inhaltsverzeichnis |
Struktur
- 4 Strophen mit je 4 Versen
- Kreuzreim, wobei der 1. und 3. unrein sind (abcb)
- viele Jamben, aber nicht durchgängig, Beispiel: V.3
- abwechselnd weibliche und männnliche Kadenz außer in Vers 7
Inhalt
Strophe 1
Die Liebe entspricht nicht den Vorstellungen der Menschen. Sie wurde aus Rache von Gott auf die Erde geschickt.
Strophe 2 und 3
Die Liebe versucht sich die Eigenschaften Gottes anzueignen, wodurch sie sich immer wieder als grausam erweist. Sie quält die Menschen.
Strophe 4
Die Menschen schaffen es nur, dieser Qual zu entfliehen, wenn sie der Liebe abschwören.
Rhetorik
- V.1-2: Umschreibung von Amor: Symbol für Liebe
- Enjambements führen zu Mehrdeutigkeit durch Trennung von Sinnzusammenhängen
- V.6: Kontrast: blind und allmächtig
- V.9-10: Metapher: der nach seiner Peitsche die Herzen tanzen läßt: spielt mit Gefühlen
- V.3-4, V.10-11: Anapher
- V.12: Metapher: den Fuss auf ihre armen Kehlen setzt: Liebe erstickt die Menschen