Adorno - Typen musikalischen Verhaltens: Unterschied zwischen den Versionen

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HEINRICH BESSELER
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''Theodor W. Adorno'' hat die bekannteste Hoerertypologie entwickelt. Obwohl sie in der Wissenschaft kritisch angesehen wird, ziehen Musiker sie oft vor, um Hoertypologien zu beschreiben. Die Typen sind nicht durch empirische Untersuchungen sondern reine Gedankenexperimente.
Für Besseler steht das Hören in einer Wechselbeziehung zum musikalischen Schaffen der jeweiligen Zeit und ist deshalb geschichtlichen Veränderungen unterworfen; die Musik jeder Epoche verlangt eine andere Art des Hörens.
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Die folgenden Typen sind Idealformen und existieren nur in Mischvarianten:
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Der '''Experte''' erfasst Zusammenhaenge aus vergangenen und zukunftigen Momenten der Musik, er hoert voraus und erkennt was kompositionstechnisch geschieht. Dieser Typ ist vorallem bei Berufsmusikern zu finden.
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Der '''gute Zuhoerer''' hoert Zusammenhaenge und beurteilt Musik begruendet. Dem Niveau des Experten kommt er jedoch nicht sehr nahe. Man kann ihn auch mit einem Sprachkenner vergleichen, der die Strukturen der Sprache wie Grammatik und den Satzbau nicht weiss.
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Der '''Bildungskonsument''' hoert viel und ist gut ueber die Musik informiert. Er kennt sich mit Themen der Musik aus und antizipiert diese sogar, hoert aber keine Strukturen heraus. Dieser Typus ist verbreitet unter Konzertabonnenten.
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Der '''emotionale Zuhoerer''' ist besonders interessiert fuer emotional bestimmte Musik, die bei ihm bildhafte Assoziationen und Gefuehlsausbrueche ausloesen; er ist der Meinung, dass bewusstes Hoeren Kaelte gegenueber der Musik bedeutet.
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Der '''Ressentimenthoerer.''' steht kritisch gegenueber dem offiziellen Musikleben. Er zieht sich in Sonderbereiche der Musik zurueck, die er kultiviert und in denen er aufblueht. Ein Sondertyp stellt der Jazzexperte dar, der sich fuer fortschrittlich haelt, weil er sich von Klassik und Romantik abwendet, jedoch in seinen eigenen Grenzen gefanfgen bleibt.
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Der '''Unterhaltungshoerer''' geniesst Musik nicht als Sinnzusammenhang; da er beim Hoeren keine Anstrengungen will und von Musik lediglich Zerstreuung erwartet, ist die Musik nur eine Reizquelle fuer ihn.
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Der '''Gleichgueltige/Unmusikalische/Antimusikalische'''  hat ueberhaupt keinen Sinn fuer Musik. Adorno begruendet diese Haltung mit Schaeden in der fruehkindlichen Erziehung und/oder ueberrealistischen Gesinnung oder technischen Spezialbegabung. Der Typ ist sehr selten.

Aktuelle Version vom 21. Juni 2011, 10:00 Uhr

Theodor W. Adorno hat die bekannteste Hoerertypologie entwickelt. Obwohl sie in der Wissenschaft kritisch angesehen wird, ziehen Musiker sie oft vor, um Hoertypologien zu beschreiben. Die Typen sind nicht durch empirische Untersuchungen sondern reine Gedankenexperimente.

Die folgenden Typen sind Idealformen und existieren nur in Mischvarianten:

Der Experte erfasst Zusammenhaenge aus vergangenen und zukunftigen Momenten der Musik, er hoert voraus und erkennt was kompositionstechnisch geschieht. Dieser Typ ist vorallem bei Berufsmusikern zu finden.

Der gute Zuhoerer hoert Zusammenhaenge und beurteilt Musik begruendet. Dem Niveau des Experten kommt er jedoch nicht sehr nahe. Man kann ihn auch mit einem Sprachkenner vergleichen, der die Strukturen der Sprache wie Grammatik und den Satzbau nicht weiss.

Der Bildungskonsument hoert viel und ist gut ueber die Musik informiert. Er kennt sich mit Themen der Musik aus und antizipiert diese sogar, hoert aber keine Strukturen heraus. Dieser Typus ist verbreitet unter Konzertabonnenten.

Der emotionale Zuhoerer ist besonders interessiert fuer emotional bestimmte Musik, die bei ihm bildhafte Assoziationen und Gefuehlsausbrueche ausloesen; er ist der Meinung, dass bewusstes Hoeren Kaelte gegenueber der Musik bedeutet.

Der Ressentimenthoerer. steht kritisch gegenueber dem offiziellen Musikleben. Er zieht sich in Sonderbereiche der Musik zurueck, die er kultiviert und in denen er aufblueht. Ein Sondertyp stellt der Jazzexperte dar, der sich fuer fortschrittlich haelt, weil er sich von Klassik und Romantik abwendet, jedoch in seinen eigenen Grenzen gefanfgen bleibt.

Der Unterhaltungshoerer geniesst Musik nicht als Sinnzusammenhang; da er beim Hoeren keine Anstrengungen will und von Musik lediglich Zerstreuung erwartet, ist die Musik nur eine Reizquelle fuer ihn.

Der Gleichgueltige/Unmusikalische/Antimusikalische hat ueberhaupt keinen Sinn fuer Musik. Adorno begruendet diese Haltung mit Schaeden in der fruehkindlichen Erziehung und/oder ueberrealistischen Gesinnung oder technischen Spezialbegabung. Der Typ ist sehr selten.