Emanzipation der Dissonanz
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das traditionelle tonale Gefüge immer weiter gelockert.
Die funktionsharmonische Ordnung verlor ihre Normativität. Zwar finden sich schon frühere Beispiele solchen Abweichungen, diese dienten aber meistens als Scherz oder als theatralischer Affekt und wirkten gerade dadurch, dass sie sich als Besonderheit präsentierten und die Funktionstonalität, auf deren Hintergrund sie sich bezogen, bestätigten.
Noch radikaler wurde Arnold Schönberg im Zweiten Streichquartett 1907, in dem er die tonalen Beziehungen schließlich nivellierte und in die freie Atonalität überging.
Besonders weit geht der vierte Satz, der über kein tonales Zentrum mehr verfügt.
Die hier vorhandenen Dissonanzen streben nicht mehr zu ihrer Auflösung und emanzipieren sich dadurch von der Konsonanz. Der entscheidende Unterschied zu dissonanten Elementen früherer Werke ist der, dass es bei Schönbergs freier Atonalität keinen Sinn mehr macht, das Stück nach funktionsharmonischen Kriterien zu untersuchen.
Die Entwicklung hatte allerdings zur Folge, dass die zusammenhangskonstituierende Funktion der Tonalität wegfiel. Ohne ihre Hierarchie mussten neue Möglichkeiten geschaffen werden, um musikalische Fasslichkeit zu bilden und große Formen zusammen zu halten.Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dafür viele verschiedene Wege beschritten. Auch Schönberg sah sich mit diesem Problem konfrontiert.
Kurz gefasst lässt sich die Gleichwertigkeit wird als Emanzipation der Dissonanz so erklären,das durch das Entstehen einer Gleichwertigkeit sämtlicher Intervalle als ein weiteres Prinzip des atonalen Komponieren durch Vermeidung eines tonalen Zentrum.
Der Begriff "Emanzipation der Dissonanz" wurde von Arnold Schönberg geprägt.
Ein Zitat Schönbergs:
" Wenn einer das Fliegen die ‚Nichtherunterfallkunst‘ nennte, oder das Schwimmen die ‚Nichtuntergehekunst‘ so ginge er ebenso vor." Arnold Schöneberg bevorzugte diese Art des Komponierens als die Emanzipation der Dissonanz zu nennen, da ihm der Begriff atonal zu negativ erscheint. Außerdem erklärte er, dass zwischen der Konsonanz und der Dissonanz "nur eine graduelle, nicht aber eine kategoriale Differenz bestehe und eine Dissonanz nichts anderes als eine entferntere Konsonanz sei."