Sozialisation als Rollenlernen

Aus KAS-Wiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Inhaltsverzeichnis

Die Rollentheorie

Die Rolle:

Die Rolle, soziale Rolle, ist etwas, dass das Individuum in seinem Leben durch Beobachtung und Nachahmung der Umwelt / Gesellschaft und bewusstes Lernen, wie ein Schauspieler in einem Theaterstück einnehmen bzw. erlernen muss. Das Individuum wird dann zum Rollenträger.

Jedes Individuum muss eine Rolle innerhalb eines sozialen Systems einnehmen und sich dann auch rollengemäß verhalten um das System zu erhalten. Rollen werden je nach sozialer Position entweder zugeschrieben (ascribed) oder erworben (achieved). (Bsp: Ständegesellschaft = Rollen sind zugeschrieben; heute können soziale Rollen auch erworben werden)

Die soziale Position:

Die Verhaltenserwartungen, wie sich ein Individuum innerhalb seiner Rolle zu verhalten hat, werden nicht an das Individuum persönlich als Person, sondern an seine soziale Position herangetragen. (Bsp: Die Verhaltenserwartungen, die Schüler von ihrem Lehrer Mr. X haben, erwarten sie nicht von ihm als Mr. X, sondern sie erwarten, dass er sich als Lehrer den festgelegten Normen gemäß in seiner Rolle verhält. Er soll den Normen entsprechen, sie erfüllen, und nicht gegen diese verstoßen).

Ein Individuum kann innerhalb eines Positionsfeldes mehrere soziale Positionen beziehen.

Die Rollenerwartungen:

Die von der Gesellschaft festgelegten (normierten) Rollenerwartungen werden während des Sozialisationsprozesses internalisiert.

Sie können sich auf die Merkmale (Rollen–Attribute) des Rollenträgers oder auf sein Verhalten (Rollen–Verhalten) beziehen.

Drei Stärkegrade der Erwartungen sind zu unterscheiden, nach denen dann dementsprechend starke Sanktionen folgen:

  1. Die rechtlich fixierte Muss–Erwartung (Sanktion mit hoher Verbindlichkeit)
  2. Die nicht fixierte Soll–Erwartung (Einhaltung wird durch Sanktionen kontrolliert)
  3. Die Kann–Erwartung (keine besonderen Kontrollmechanismen)

gesellschaftliche Sanktionen

Erfüllt ein Individuum, die an es herangetragenen normierten Rollenerwartungen nicht, so hat die Gesellschaft die Möglichkeit, es mit verschieden starken Sanktionen (Strafen) dazu zu zwingen bzw. es zu bestrafen oder im Falle der Erfüllung auch zu belohnen.

Der Rollensatz:

Der Rollensatz (role set) ist die Gesamtheit aller sich ergänzenden Teil- oder Komplementär-Rollen, die sich mit der eines bestimmten Individuums verbinden lassen.

Das Rollensegment:

Die Rollensegmente einer einzelnen Rolle sind die einzelnen Beziehungen, die sie innerhalb eines Positionsfeldes zu anderen Rollen/sozialen Positionen hat.

(Bsp: Das erste Rollensegment/der erste Rollensektor der Rolle von Mr. X als Lehrer wäre die Beziehung zu seinen Schülern.

Das zweite Segment die Beziehung zu seinen Kollegen. Usw....)

Diese Beziehungen sind nicht persönlich, sondern nur als zwischen den Rollen zu verstehen.

Die Rollenkonflikte:

Ein Rollenkonflikt tritt auf, wenn das rollengemäße Verhalten von einem Individuum, welches mehrere soziale Positionen/Rollen inne hat, dem Verhalten der anderen Rolle, welche es auch innehat, widerspricht.

Interrollenkonflikt: Erwartungen an verschiedene Rollen widersprechen sich, z.B. die zwischen der Rolle als Schüler und der als Freund: vom Freund wird erwartet, dass er mit dem Sitznachbarn und Freund während der Unterrichtsstunde über die Party am Wochenende spricht, während vom Schüler erwartet wird, dass er sich auf den Unterricht konzentriert. (inter [lat.] = zwischen) Intrarollenkonflikt: Erwartungen verschiedener Bezugsgruppen bezüglich ein und der selben Rolle eines Individuums geraten in Konflikt, z.B. wird von Schülerin S. erwartet, dass sie als Mitschülerin ihre Nachbarin abschreiben lässt, während ihr Lehrer erwartet, dass sie sich nur um ihre Arbeit kümmert. (intra [lat.] = innerhalb) Lösung nach R. K. Merton: Zeitliche und räumliche Trennung der Verhaltensbereiche.

Das Role Taking:

Das Role Taking ist die Übernahme einer Rolle. Nach G. H. Mead ist es die Fähigkeit, sich in jemanden hineinzuversetzen und dessen Verhalten sowie Erwartungen zu antizipieren, um entsprechend zu handeln. Man sollte wissen, wie ein Individuum auf ein bestimmtes Verhalten reagieren würde, und sein eigenes Verhalten dementsprechend anpassen.

Das Role Making:

Das Role Making ist die Rollengestaltung. Es ist die Art, wie ein Individuum eine Rolle spielt. Es nimmt die bereitgestellten Erwartungen und zeigt mit ihnen, wie es sich in der Rolle noch benehmen könnte: Nicht alle Lehrer sind z.B. gleich. Hier findet sich also ein individuelles, spontanes und kreatives Moment im Rollenhandeln.

Mit der Zeit festigt sich aber das Verhalten eines Individuums bei der sozialen Interaktion mit anderen Individuen.

Die Grundqualifikationen des Rollenverhaltens:

Die Grundqualifikationen des Rollenverhaltens werden im Sozialisationsprozess entwickelt. Folgende Grundqualifikationen sind die wichtigsten:

  1. Eigenes Handeln distanziert und reflektiert betrachten können (Rollendistanz)
  2. Einfühlungsvermögen besitzen (Empathie)
  3. Uneindeutigkeiten ertragen können (Ambiguitätstoleranz)
  • Man sollte sich nicht immer fragen, ob das gerade Gemachte richtig war und die entsprechende Rolle gemäß den Normen erfüllte, sondern auch Uneindeutigkeiten akzeptieren.


Die Identität:

Es wird grundsätzlich zwischen drei Identitäten unterschieden:

  1. Die Ich–Identität: Dies ist die Leistung, die das Individuum erbringt, um zwischen den beiden anderen Identitäten, nämlich der persönlichen und der sozialen zu vermitteln.
  2. Die persönliche Identität: Dies ist diejenige, die sich auf die Einzigartigkeit des Individuums bezieht.
  3. Die soziale Identität: Dies ist die Identität, die sich auf die Rollen und die mit ihnen verbundenen Rollen–Erwartungen eines Individuums bezieht, es handelt sich um die vom _Rollenträger verinnerlichten Rollenerwartungen.

Eine gelungene Identitätsbalance ist dann erreicht, wenn das Individuum sich einerseits nicht von der Interaktion und Kommunikation mit anderen Individuen ausschließt und sich andererseits nicht der den sozialen Erwartungen so weit unterwirft, dass es sich die Möglichkeit nimmt, seinen eigenen Bedürfnissen nachzugehen.

Sie fehlt z.B. bei der totalen Rolle, wenn das Rollenhandeln durch eindeutige und rigide Verhaltensvorschriften bei intensiver, formal geregelter sozialer Kontrolle bestimmt wird (z.B. Insassen von psychiatrischen Anstalten oder Justizvollzugsanstalten, d.h. totalen Institutionen).